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Unternehmen neu gedacht  

Müssen sich meine Kunden neu erfinden?

Jonas Schürmann von ST Schürmann Treuhand AG beantwortet unsere Fragen zu den Auswirkungen der Pandemie auf die eigene Kundschaft. Zunächst teilt er diese in drei Gruppen ein.

In der ersten Gruppe sind die vom Lockdown stark betroffenen Firmen, die ihre Betriebe ganz oder teilweise schliessen mussten. Sie sind aus der Gastro-, Event-, Detailhandels- und Kulturbranche und mussten nebst Kurzarbeitsentschädigungen auch COVID-Kredite und Härtefallentschädigungen des Kantons in Anspruch nehmen. In der zweiten Gruppe sind die indirekt Betroffenen aus verschiedenen Branchen, die viele Projekte aufgrund der Unsicherheit gestoppt oder auf ungewisse Zeit verschoben haben. Dies führte zu wesentlichen Umsatzeinbussen, die hauptsächlich mit Kurzarbeitsentschädigungen, aber auch mit COVID-Krediten überbrückt wurden. In der dritten Gruppe sind die Profiteure des Lockdowns in der Medizin- und Pharmabranche wie etwa Hersteller/Zulieferer von Schutzmaterialien und -bekleidung oder der Lebensmitteldetailhandel. Diese Firmen konnten beträchtliche Umsatzsteigerungen erzielen. 

In welchen Bereichen gab es einen erhöhten Beratungsbedarf?

Beim Beheben oder Verhindern von Liquiditätsengpässen sowie bei Kurzarbeits- und Härtefallgesuchen. Insbesondere nach dem ersten Lockdown im März 2020 mussten die kantonalen Stellen die Prozesse und Instrumente erst aufbauen und die nötigen Kapazitäten schaffen. Laufende Anpassungen führten zu Unsicherheiten und Wartezeiten. Da konnten wir beratend und unterstützend zur Seite stehen. Unter Mithilfe einer Treuhandstelle kamen und kommen die Kunden schneller zu ihrer finanziellen Unterstützung.

Wie konnten Sie Kunden in der Gastro-, Event- und Kulturbranche helfen?

Wir unterstützten beim Ausfüllen der Gesuche für Kurzarbeitsentschädigungen, Corona-Erwerbsersatz und Härtefallentschädigungen. Wir gaben auch telefonisch Auskunft über allgemeine Fragen zur Corona-Situation und, falls nötig, begleiteten die Kundschaft zu Gesprächen bei ihren Finanzinstituten. 

Welche Auswirkungen hatte die Krise auf Ihre Tätigkeit als Treuhänder?

Insbesondere nach dem ersten Lockdown waren wir stärker gefordert. Nebst den alltäglichen Treuhandarbeiten kamen wie gesagt telefonische Anfragen und E-Mails zur Corona-Situation, die sofort beantwortet werden mussten. Dies setzte voraus, dass wir unsere Mitarbeiter entsprechend schulten. Der regelmässige Austausch mit und unter den Mitarbeitenden war sehr förderlich. Als Generalisten im Finanz- und Rechnungswesen konnten wir unsere Kunden schnell und kompetent betreuen.

Was sind für Sie die drei wichtigsten Lehren aus der Corona-Krise?

Der Treuhänder ist die vertraute Anlaufstelle, der Ansprechpartner in guten wie auch schlechten Zeiten. Da zahlt sich die langfristige Kundenpflege aus. Dann die angemesse Digitalisierung in der Buchhaltung, im Rechnungswesen und bei der Zusammenarbeit mit dem Kunden; und schliesslich die Wichtigkeit der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Treuhänder, Kunde und Finanzinstitut bzw. Behörde.

Sind die Veränderungen langfristig npositiv oder eine Belastung Ihres Geschäftsalltags?

Langfristig werden die vorgenannten Lehren unseren Geschäftsalltag positiv beeinflussen. Der Treuhänder als Berater und Bindeglied zwischen allen Beteiligten wird nach wie vor gefragt sein. 

Viele Experten erwarten eine Veränderung der Geschäftswelt. Wie sehen Sie das?

Die Pandemie hat der digitalen Transformation in der Geschäftswelt weiteren Schub gegeben. Die KMU wenden sich nun vermehrt der Automatisierung der Geschäftsprozesse zu. Die ganze IT-Infrastruktur und die Kommunikationstechnologie sind aufzurüsten, Arbeitsprozesse können mit mobilen Apps, Homeoffice-Tools und Cloud-Kommunikation entwickelt und verbessert werden. Auch die Abläufe in der Beschaffung, im Einkauf, in der Produktion, im Marketing oder im Vertrieb können digitalisiert werden. Dabei spielen auch E-Commerce, Online-Handel und Cloud-Kommunikation eine wichtige Rolle. Ebenfalls darf die IT-Sicherheit nicht vergessen werden. 

Wie können Treuhänder sonst noch auf die Bedürfnisse der Kunden reagieren?

Zweifelsohne ist die Digitalisierung auch für die Treuhandbranche die grösste Herausforderung. Gerade die jüngere Kundschaft ist bereit, Routinearbeiten mit entsprechender Software selbst vorzunehmen. Der Treuhänder bleibt aber erste Anlaufstelle im Finanz-, Rechnungs- und Steuerwesen und muss Generalistenwissen aufbauen, damit er kompetent, rasch und angemessen reagieren kann. Wo nötig sind dabei entsprechende Spezialisten bei Partnerunternehmen oder von extern beizuziehen. 

Welche Rolle spielt die Digitalisierung für die Buchhaltungsabschlüsse und die Steuerabwicklung?

Das reine Erfassen der Buchhaltung kann heute schon durch Standardsoftware und automatische Schnittstellen zum E-Banking und zu anderen Tools digitalisiert vorgenommen werden. In naher Zukunft können dank künstlicher Intelligenz Belege via Smartphone eingescannt und direkt im Mobile-Banking und in der Buchhaltung erfasst werden. Bei der Abschlusserstellung sehe ich Stand heute noch diverse digitale Herausforderungen bzw. Grenzen. Klar können Abschreibungen, Wertberichtigungen oder auch Abgrenzungen automatisch berechnet respektive systematisch generiert werden. Aber ob dies im Endresultat auch richtig herauskommt, wage ich zu bezweifeln. Da ist ein manueller Abschluss nach wie vor schneller und vor allem fehlerfreier.

Wir erstellen auch Steuererklärungen von natürlichen und juristischen Personen in einer speziellen Software und reichen diese bei den meisten Kantonen der Schweiz digital ein. Ebenfalls können heute die Abrechnungen, Formulare der Mehrwertsteuer (MWST) und der Verrechnungssteuer (VST) auf einem Online-Portal der Eidgenössischen Steuerverwaltung direkt erfasst werden. Da fällt doch einiges an Papier weg, was sehr zu befürworten ist, und das ewige Hin-und-Her-Senden von Dokumenten zwecks Unterzeichnung und Weiterleitung kann reduziert werden. 

Wie wird sich das Controlling in den KMU durch die rasch voranschreitende Digitali­sierung verändern?

Es wird an Bedeutung gewinnen. Dabei empfehle ich KMU, ein auf die Firmengrösse angepasstes internes Kontrollsystem einzurichten. Kontrolle kann bei Kleinstbetrieben das Vier-Augen-Prinzip heissen, bei grösseren Firmen eine risiko- und prozessorientierte Steuerung. Das Kontrollsystem soll dabei mit Führungskennzahlen für Geschäftsleitung und Eigentümer ergänzt werden. Beim kleineren KMU können dies der monatliche Stand der Bankguthaben, offenen Kunden- und Lieferantenrechnungen oder des Umsatzes sein. Bei grösseren KMU können sogenannte Management-Informations-Systeme mit automatisierten Reports eingerichtet werden. 

AutorIn

ST Schürmann Treuhand AG

Jonas Schürmann ist dipl. Wirtschaftsprüfer, lic. rer. pol. und Mitinhaber der ST Schürmann Treuhand AG. Er hat langjährige Erfahrung im Treuhand-, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerbereich für KMU. Eine ganzheitliche und bedürfnisgerechte Beratung steht für ihn im Vordergrund. Dabei ist es ihm wichtig, die KMU vorausschauend in allen Lebenszyklen der Gesellschaft zu begleiten zu beraten.